Mal eben die Welt retten, oder doch nicht?
Einladung ins Drama-Dreieck
„Das geht doch gar nicht!“. „Wie ist der Mensch denn drauf?“ In der Öffentlichkeit und im Berufsleben sind Sie sicher einiges gewohnt von den Mitmenschen und Kollegen, doch der Ton wird häufig rauher. Erfahren Sie in diesem Blogartikel, wie Sie unaktzeptables Verhalten (auch bei sich selbst) erkennen und diesem wirksam und souverän entgegentreten. Das Drama-Dreieck.
Sind Sie auch manchmal sprachlos angesichts des Miteinanders in unserer Gesellschaft und am Arbeitsplatz? Beleidigungen, Ausgrenzungen, Demütigungen, grenzüberschreitendes und rassistisches Verhalten gehören leider häufig zum „guten Ton“.
Immer häufiger fühlen sich Menschen in ihrem Alltag anderen Menschen ausgeliefert – sie sind Opfer deren Handelns oder auch deren Willkür. Im schlimmsten Fall fühlen sie sich hilflos, sehen keine Möglichkeit an der Situation etwas zu verändern. Manches Mal können sie sich aber auch locker aus der Affäre ziehen und dann sind die anderen die Opfer. Oder sie erscheinen als eine Art Superman, um jemanden oder gar die ganze Welt zu retten. Was steckt hinter dieser Dynamik? Etwa, wenn bestimmte Menschen immer wieder zu spät kommen? Warum ist das so? Und warum gibt es immer wieder die anderen, die dem Zuspätkommenden aus der Patsche helfen? Wie lässt sich diese Dynamik erklären und wie lässt sie sich verändern? Was ist dabei unsere Rolle?
Das Drama-Dreieck
Ständig nehmen wir alle ganz unbewusst unterschiedliche Rollen an, die und deren Wechselwirkungen der Psychologe Stephen Karpman mit seinem Begriff „Drama-Dreieck“ treffend beschreibt.Wir sind diese Rollen nicht, wir spielen sie nur – ganz unwissend, aber meistens perfekt, ganz ungeübt, aber nach dem immer gleichen Muster. Wir sind dabei nicht auf eine Rolle festgelegt, nein, wir können sogar während einer Handlung von einer in die andere Rolle schlüpfen. Wir wechseln diese also mit den verschiedenen Situationen, in denen wir uns wiederfinden. Dabei spielen wir jedoch am häufigsten die in der Kindheit gelernten Rollen.
Da wir jenes Schauspiel ganz unwissentlich aufführen, ist uns auch nicht bewusst, dass genau dadurch ungesunde Beziehungen entstehen. Diese destruktiven und manipulativen Muster vollziehen sich unter den Kollegen, mit dem Chef, in unseren Partnerschaften und auch im inneren Dialog mit uns selbst.
Im Drama-Dreieck gibt es weder gute noch schlechte Rollen. Doch im Prinzip hat jeder, der mitspielt, bereits verloren.
Die Opferrolle
Die Opferrolle zeichnet sich dadurch aus, dass das Opfer eigene Fähigkeiten und Möglichkeiten ausblendet und sich klein macht oder zumindest kleiner und unfähiger, als es tatsächlich ist. Ein typischer Opfer-Satz wäre zum Beispiel: „Rede du mit ihr, ich kann einfach nicht Nein sagen“. Ein Opfer macht sich klein und hilflos, das ist der Köder für den „Retter“, der nicht mit ansehen kann, dass jemand „leidet“ und deswegen einspringen muss.
Die Retterrolle
Die Betonung liegt hier auf dem „Muss“. Das unterscheidet die Retterrolle von jemanden, der einfach gerne hilfsbereit ist. Beim Retter entsteht ein Gefühl von „Ich muss helfen, ich darf ihn oder sie nicht hängen lassen“. Er besetzt die Retterrolle, weil er auf jedes Anzeichen von Hilflosigkeit sofort reagiert und glaubt, etwas tun zu müssen. Auf den ersten Blick erscheint das sehr sympathisch. Jedoch hat die Rolle auch noch eine ganz andere Facette: Der Retter übernimmt in der Regel die Sichtweise, dass das Opfer unfähig, hilflos und klein ist, sonst würde er es nicht retten. Er bestätigt damit dem Opfer die vorhandene Selbsteinschätzung. In dieser Hinsicht trägt also der Retter dazu bei, das Opfer klein zu machen. Dass er sich bei dieser Gelegenheit sich selbst etwas größer macht, auf Kosten des Opfers, ist ein „schöner Nebeneffekt“.
Die Täterrolle
Der Retter macht das Opfer auf pseudo-liebevolle Art und Weise klein, die Täterrolle hingegen ist dadurch gekennzeichnet, dass der Täter sein Opfer in aggressiver Weise klein macht. Es wird ein ganzes Arsenal an Vorwürfen, Unterstellungen und Schuldzuweisungen aufgefahren. Täter erkennt man gut daran, dass sie nicht einen Teil des Verhaltens eines Gesprächspartners kritisieren, sondern die ganze Person in Bausch und Bogen aburteilen. Statt zu sagen: „Es ärgert mich, wenn du mich warten lässt“, wird dann dem anderen um die Ohren gehauen: „Du bist total unzuverlässig“. Zwischen diesen beiden Formulierungen besteht der große Unterschied, dass mit der zweiten Formulierung die ganze Person be- und abgewertet wird und nicht deren Verhalten (oder ein einzelner Ausschnitt des Verhaltens). Meist übertreibt der Täter dann auch noch und bringt Absolut-Begriffe: „Nie kann man sich auf Dich verlassen oder „Immer machst Du so einen Mist“. Mit solchen unqualifizierten Sprüchen löst er bei seinem Gesprächspartner genau die Verteidigungsreaktion aus, die das Ganze noch verschärfen.
Zuspitzung des Drama-Dreiecks
Sieht man die schnellen Rollenwechsel an, leuchtet unmittelbar ein, weshalb das Zusammenspiel von Opfer, Retter und Täter „Drama-Dreieck“ genannt wird . Ohne diese Rollenwechsel wäre ein Spiel schnell langweilig, aber so bleibt es dramatisch und spannend bis zum Schluss. Deshalb ist Drama-Dreieck auch ein sehr treffender Begriff, denn aus den drei Rollen Retter, Opfer und Täter und ihrer wechselnden Besetzung im Spiel lassen sich wunderbare Szenen zaubern, deren Dramatik manches Stück auf der Bühne in den Schatten stellt. Da man nie genau weiß, wer als Nächstes in welche Rolle wechselt, enthält jedes Spiel auch ein Überraschungsmoment. Aus einem liebevollen Retter kann ganz plötzlich ein hinterlistiger Täter oder ——- werden oder ein jammerndes Opfer, je nachdem, wie sich der Spieler, gemäß seiner individuellen Prägung, entscheidet. Jedenfalls gehört es zwingend zu einem Spiel dazu, dass mindestens ein Rollenwechsel stattfindet. Routinierte Spieler schaffen aber auch mehrere Rollenwechsel in einem einzigen Satz:
„Ich würde dir wirklich gern helfen, aber du bist ja unfähig, dir etwas sagen zu lassen – und am Ende bin ich derjenige, der deine schlechte Laune ertragen muss, weil du es nicht hingekriegt hast!“
Tipp: Angebotene Rollen ablehnen
Um nicht mehr in ein solches Spiel hineingezogen zu werden, ist es hilfreich, unterscheiden zu lernen, wann solch‘ ein psychologisches Spiel beginnt und wann nicht. Wenn Sie darauf achten, werden Sie die feinen Signale bei sich und bei anderen schnell erkennen.
Entscheidend sind dafür zwei einfache Fragen:
- Welche Rolle spielt mein Gesprächspartner gerade?
- Welche Rolle ist für mich vorgesehen?
Wenn es Ihnen gelingt, diese angebotene Rolle nicht zu akzeptieren, entkommen Sie dem Spiel, ohne sich danach schlecht zu fühlen.
Diese einfachen Regeln sind äußerst hilfreich:
- Beschreiben Sie so konkret wie möglich, was Sie am Verhalten Ihres Gesprächspartners stört.
- Beschreiben Sie Ihrem Gesprächspartner die Auswirkungen seines Verhaltens (was es bei Ihnen auslöst und bewirkt).
- Sagen Sie ihm, was Sie von ihm wollen.
Ihre eigenen Gefühle sind fast immer ein zuverlässiges Anzeichen dafür, ob Sie es mit einem Spielangebot zu tun haben oder nicht. Ein schlechtes Gefühl ist ein nützliches Warnsignal. Auf jeden Fall sollten Sie hellhörig werden, wenn Sie sich unangenehm berührt oder gar manipuliert fühlen.
Wie geht’s Ihnen so, in Ihren alltäglichen Gesprächssituationen?
Am Arbeitsplatz mit Kollegen, Chef oder Mitarbeitern? Oder auch zuhause? Mit Ihrem Schatz?
Ich freue mich über Ihre Kommentare.
Ein wunderbares Buch zum Weiterlesen möchte ich Ihnen gerne empfehlen:
Renate und Ulrich Dehner: Schluss mit diesen Spielchen! Manipulationen im Alltag erkennen und wirksam dagegen vorgehen. Erschienen im Campus Verlag