Im Herzen von Führung steht unsere Haltung
Führung ist nicht nur reine Verstandessache. Auch wenn dies immer noch so viele Führungskräfte gerne glauben möchten. Wäre ja auch so schön bequem.
Das Gegenteil ist der Fall: Führung wird nicht nur von Instrumenten und Theorien geprägt, sondern von den Werten, dem Menschenbild, der Haltung der Führungskräfte und den Werthaltungen des Unternehmens, in dem sie stattfindet. Im Herzen von Führung steht unsere Haltung. Sie steuert unsere Wahrnehmung, unsere Interpretationen und unser Handeln.
Die gute Nachricht: Wir können unsere Haltung steuern!
John Naisbitt hat es so formuliert: „Die aufregendsten Durchbrüche im 21. Jahrhundert werden nicht durch die Technologie entstehen, sondern durch ein sich erweiterndes Verständnis unseres Menschseins.“
Mit unserem Menschsein arbeiten
Manchmal ist es überraschend einfach! Aber wir haben uns inzwischen so sehr an die engen Orte gewöhnt, die wir Arbeitsplatz nennen, dass wir diese Haltung „mit unserem Menschsein zu arbeiten“ in einem beruflichen Kontext für nicht angemessen halten. Die Sehnsucht nach Ganzheit, die viele Menschen inzwischen umtreibt, steht im Widerspruch zur Trennung, die an den meisten Arbeitsplätzen oft unbewusst gefördert wird. Der rationale Verstand und das Ego werden überbetont, während die emotionalen und spirituellen Aspekte vernachlässigt, gar negiert werden. Das Persönliche wird vom Beruflichen getrennt. „Frau Scheitler, im Job habe ich keine Gefühle, da gibt es keinen Platz dafür…“ – wie oft habe ich diesen Satz schon gehört.
In dieser Perspektive ist Rationalität der König und regiert unangefochten bei der Suche nach Rezepten für die besten Führungsinstrumente. Da wird jede Quelle der Einsicht, die nicht auf Fakten und logischer Überlegung beruht, als „irrational“ bezeichnet und negiert. Ironischerweise führt dieses unbedingte Festhalten an der Rationalität oft dazu, dass die Fähigkeit, die Realität klar zu sehen, vernebelt wird.
Moderne Sichtweise
Grundlage einer moderneren Sichtweise, der sogenannten integralen Perspektive, ist die Botschaft, dass wir Menschen keine Probleme sind, die auf eine Lösung warten, sondern auf die Entfaltung ihrer Potenziale. Diese Botschaft erschließt sich alle Bereiche des Wissens. Aus analytischen Ansätzen können wichtige Einsichten gewonnen werden. Auch in unseren Emotionen können wir Weisheit finden, wenn wir lernen, ihre Bedeutung zu verstehen. Beispielsweise wenn ich mich in bestimmten Führungssituationen frage: Warum bin ich jetzt gerade so ehrgeizig, zielorientiert, fokussiert, penetrant, ungeduldig, zornig, ängstlich, aufgeregt oder nervös? Was sagt das über mich und über die Situation aus, in der ich mich gerade befinde?
Weisheit können wir auch in unserer Intuition finden. Die Intuition würdigt die komplexe, vielschichtige, paradoxe, nicht-lineare Natur der Wirklichkeit. Unbewusst können wir Muster miteinander verbinden, wie es unserem rationalen Verstand nicht möglich ist. Intuition ist etwas, das wir trainieren können, so wie auch das logische Denken. Wenn wir lernen, auf unsere Intuition zu achten, sie wertzuschätzen, sie in Bezug auf Führung und Wahrheit zu befragen, werden mehr intuitive Antworten sichtbar werden.
Ein weiterer kognitiver Durchbruch ist die Kompetenz, in Paradoxien zu denken, und damit das einfache „entweder-oder-Denken“ durch das komplexere „sowohl-als-auch-Denken“ zu transzendieren. Durch die komplexen Aufgabenstellungen der globalisierten Welt braucht es mehr denn je statt des „entweder-oder-Denkens“ ein „sowohl-als-auch-Verständnis“.
Führung – Innere Stimmigkeit als Kompass
In der integralen Perspektive verlassen wir die reinen äußeren Maßstäbe und wechseln zu inneren Maßstäben für unsere Führungsentscheidungen und unser Verhalten in Führungssituationen. Hier beschäftigt uns die Fragen der inneren Stimmigkeit: Erscheint mir diese Entscheidung richtig zu sein? Bleibe ich mir selbst treu? Stimmt es mit dem überein, was ich als die Richtung der Entwicklung sehe? Bin ich von Nutzen für die Welt und mein Unternehmen? Was ist meine persönliche Haltung zu dieser Entscheidung?
Mit weniger Ängsten des Egos können wir so Entscheidungen treffen, die risikoreich erscheinen, und bei denen wir nicht alle möglichen Folgen vorher abgewogen haben, die aber mit unseren tiefen inneren Überzeugungen in Resonanz sind. Wir entwickeln eine Sensibilität für Situationen, in denen etwas falsch zu laufen scheint und die uns dazu auffordern, aus einem Gefühl der Integrität und Authentizität etwas zu sagen und zu handeln – auch angesichts von gegenteiligen Meinungen und zunächst scheinbar geringen Erfolgsaussichten.
Die Reihenfolge zu der bisherigen Vorgehensweise ist umgekehrt: Wir verfolgten bislang Umsatz, Erfolg, Erreichen von Zielen, Zugehörigkeit, Anerkennung, um ein gutes Leben zu leben. Nun versuchen wir vielmehr, ein gutes Leben zu leben, und die Folge davon könnten Umsatz, Erfolg, Erreichen von Zielen, Zugehörigkeit und Anerkennung sein.
Der Schlüssel zu dieser authentischen Haltung liegt im gezielten Training unseres Bewusstseins. Denn in unserem Bewusstsein sind unendliche Kräfte verborgen, die nur darauf warten, dass wir sie wahrnehmen und in unserem Führungsalltag einsetzen.
Welche Haltung verfolgen Sie? Mehr Verstand oder mehr die innere Stimmigkeit?
Ich bin gespannt auf Ihre Beiträge.